Ein Projekt aufgeben – nur eine mathematische Entscheidung?

Ich habe über die letzten Jahre schon einige „Projekte“ angefangen. Bei meiner letzten Jahresplanung wurde mir klar, dass ich schon allein bei den bereits aktuellen Projekten Schwierigkeiten haben werde, die für das laufende Jahr gesteckten Ziele zu erreichen. Zu viele sind es mittlerweile geworden. Zeit also, mich von einigen Projekte zu verabschieden. Aber von welchen?

Hier geht es übrigens um Projekte, die ich nicht für Kunden, sondern für mich oder in Kooperation mit anderen Gründern durchführe. Darunter fallen auch private Projekte wie gruenderstory.de. Im engeren Sinne handelt es sich hier aufgrund der Dauerhaftigkeit eher um Tätigkeiten und nicht um Projekte, aber diese Unklarheit sei mir hier bitte verziehen.

Ein Projekt muss gehen, aber welches?

Meine Jahresplanung ist schon gemacht, aber irgendwie fühlt es sich noch nicht gut an. Damit ich der Planung aber vertraue, muss genau das der Fall sein (vgl. Getting Things Done). Also schlage ich mich (zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels) schon seit einigen Tagen mit dem Gedanken umher, mich von einem Projekt zu trennen bzw. meine Ziele und damit den Arbeitsaufwand in diesem deutlich herunterzufahren.

der emotionale Ansatz

Ich beginne alle meine Projekte mit großer Hoffnung, viel Engagement und hoher Motivation. Entsprechend fällt es mir schwer, mich von einem Projekt zu verabschieden. Bei dem betroffenen Projekt handelt es sich um die Übersetzungsangebote der webgilde GmbH, die ich zusammen mit zwei Partnern seit 2009 im Rahmen eines exist Gründerstipendiums aufgebaut habe. Damals ist viel Zeit in diese Projekte geflossen, viele Menschen haben uns unterstützt und ich habe mir meine ersten Sporen als Gründer schwer verdient. Daher hat das Projekt einen deutlich höheren emotionalen Wert und ich kann es nicht einfach losmachen.

Auf der anderen Seite hat sich das Team seither aufgelöst und sich mein Schwerpunkt als Programmierer verändert. Mittlerweile outsource ich fast alle Tätigkeiten im Projekt und habe den täglichen Bezug verloren. Jede Anfrage, die bei mir ankommt reißt mich aus meinen anderen Projekten und damit kommen auch negative Emotionen ins Spiel.

der mathematische Ansatz

Von den emotionalen Argumenten hin- und hergerissen bin ich die Frage logisch angegangen. Ich habe mir eine umfangreiche Liste mit den Zahlen der vergangenen Jahre gemacht. Das Projekt wächst konstant und trägt sich zwar selbst, wirft aber darüber hinaus kaum Gewinne ab, weil der Anteil an Fixkosten noch zu hoch ist. Mein hoher, aber arbeitsaufwendiger Qualitätsanspruch steht einem schnellen Überschuss dabei ebenfalls im Weg. Was also definitiv wegfällt ist eine Weiterentwicklung mit zusätzlichen Kapazitäten.

Ein weitaus größeres Problem sehe ich im Potential der Idee. Allein ausgehend von den Anfragen in Suchmaschinen haben wir das Potential fast ausgeschöpft. Gerade die von uns abgedeckte Nische der Speisekartenübersetzung ist dabei eher überschaubar. Ohne aufwendiges offline-Marketing kommen wir da nicht weiter, aber dafür fehlen uns die Kapazitäten.

Der Kompromiss

Nachdem ich zunächst anhand der Jahresplanung gesehen habe, dass das Gesamtkonzept nicht stimmt, ich das zu kürzende Projekt schnell anhand der Zahlen von Umsatz und Potential ausgemacht habe, es mir dann noch einmal im Detail angesehen habe und dann ein paar Tage Bedenkzeit hatte, musste ich mich schließlich entscheiden.

Für das Projekt spricht, dass es ein ausgeglichenes Budget gibt und technisch gesehen alles funktioniert. Dagegen spricht, dass es mir 1-2 Stunden pro Woche raubt, die ich in Projekte stecken könnte, die ein größeres Wachstumspotential aufweisen. Als Konsequenz werde ich zunächst alle Ziele so ändern, dass eine Weiterentwicklung in 2013 vorerst nicht stattfinden wird. Zum Ende des zweiten Quartals werde ich mir dann noch einmal die Zahlen vornehmen. Das ist zwar auch ein Aufschieben der Entscheidung, aber manchmal ist es vielleicht zu früh. Zumindest habe ich mich gegen weitere Investitionen von Zeit und Geld entschieden und damit ebenfalls Kapazitäten freigemacht.

 

Bei Kundenprojekten fällt es mir deutlich leichter auch mal Nein zu sagen. Meine eigenen Projekte haben dagegen einen eher emotionalen Bestandsschutz. Wie ist das bei euch? Analysiert ihr den Output einzelner Tätigkeiten regelmäßig und wann und wie entscheidet ihr, ob ein Projekt aufgegeben wird?