Wie ich Programmierer wurde

Viele meiner Kunden sind überrascht, wenn sie erfahren, dass ich vor meiner Arbeit als selbstständiger Webentwickler mal Geisteswissenschaften studiert habe und keinen speziellen Abschluss in Informatik oder einer zumindest mathematisch-naturwissenschaftlichen Fachrichtung gemacht habe. Dabei weiß ich in meinem Netzwerk von niemandem im Bereich der Webentwicklung, der seine Fähigkeiten während eines fachspezifischen Studiums erlernt hat. Jeder von uns hat seinen eigenen Weg zu unserer aktuellen Tätigkeit gefunden und die Erfahrungen sind so individuell, dass dieser Artikel unmöglich mit „Wie wird man Programmierer“ überschrieben werden kann. Vielmehr ist dies eine ganz persönliche Erfahrung, die dem ein oder anderen Leser vielleicht Anregungen für den eigenen Weg geben kann.

Mathe-Deutsch Leistungskurs

Während meiner Zeit auf dem Gymnasium gehörten Deutsch und Mathematik zu meinen Lieblingsfächern. Dabei bin ich Stolz auf meine regionalen Erfolge bei Mathematikolympiaden :). Zeitgleich habe ich viel gelesen und hatte gerde in der Oberstufe Glück mit der Auswahl unserer Deutschlehrer. So war es für mich selbstverständlich, dass ich mich für die von anderen auch als „Hausfrauenabitur“ bezeichnete Kombination Mathe-Deutsch als meine Leistungskurse entschied. Meine Deutschlehrerin meinte einmal, dass sich meine Aufsätze wie eine mathematische Lösung lesen, da sie von Logik durchsetzt waren. Zwei Herzen wohnen ach in meiner Brust...

Mein erstes Studium in Jena setzte diese Kombination mit Germanistik-Psychologie und Volkswirtschaftslehre fort. In den drei Monaten, die ich damit durchhielt, wurde mir die zunächst eigentlich nur als Vernunftsentscheidung gewählte VWL zu meinem Lieblingsfach. Das allein konnte mich aber nicht halten und so fand ich mich innerhalb weniger Wochen in einem Freiwilligendienst mitten in Polen wieder. Als ich von meiner 10-monatigen Arbeit in einer polnischen Umweltorganisation zurückkehrte, entschied ich mich für ein Studium der Polonistik an der Universität in Greifswald. Damit war meine geisteswissenschaftliche Ausrichtung für die nächsten Jahre entschieden.

Die erste Webseite

Mit einem Bachelorabschluss in Polonistik und Kommunikationswissenschaften in der Tasche, begann ich im Jahr 2006 einen weiteren Freiwilligendienst in einer Greifswalder Umweltorganisation. Dabei stand plötzlich die Überarbeitung der bestehenden Webseite an. Also besuchte ich kurzerhand ein vom Jugendmedienverband MV angebotenes PHP-Seminar. Im Zug dorthin lernte ich praktisch die Grundlagen von HTML. Das war einfacher als erwartet. Das Wochenendseminar, bei dem ich mit meinen 24 Jahren der älteste war, hat mir die ersten Schritte ermöglichst, Hilfsmittel an die Hand gegeben und natürlich mein Interesse nach mehr geweckt.

Webseite De Kaewer e.V.
Meine erste Webseite ist immer noch online.

Ein paar Wochen später war die von mir programmierte Webseite des Vereins De Kaewer e.V. online. Die Seite funktioniert bis heute und ist vom Layout her unverändert. Entgegen vieler erster Versuche, die man so auf neuen Feldern unternimmt, finde ich die Seite immer noch sehr schön. Es gibt ein selbstentwickeltes Content Management System, mit dem die Mitglieder die Inhalte pflegen können und das Layout unterstützt zeitlos die Aussage des Vereins. Auf jeden Fall hat mich das Lob für die Seite motiviert, an dieser Stelle weiterzumachen.

In der Folgezeit beschäftigte ich mich verstärkt mit eigenen Projekten. Darunter ein mehrsprachiges Wörterbuch (das an Featureitis starb), eine Wortdatenbank für die Dissertation meiner Frau und meine bis heute aktive Scrabble-Hilfe. Das alles waren Projekte, die sich um das Thema Sprache und Übersetzung drehten.

Der erste Auftrag

Mein erster Auftrag, also die Erstellung einer Webseite gegen Geld, kam erst 2009. Damals setzte ich die Webseite eines befreundeten Schmiede-Ehepaares um. Hier stellte die Mehrsprachigkeit der Seite die größte Herausforderung dar. Damals nutzte ich das CMS Website-Baker. Der Lohn für diese Arbeit waren bescheidene 200€. Zu wenig für die Absicherung der eigenen Existenz, aber als Nebenverdienst eine weitere Motivation auf meinem Weg.

Nachdem ich mich zwischen 2009 und 2011 im Rahmen der verschiedenen Projekte und ein Exist-Stipendium meiner Firma netVoKi (heute webgilde) mit dem Zend Framework, WordPress und objektorientierter Programmierung in PHP auseinandergesetzt hatte und das Programmieren langsam zum Alltag wurde, kam ein Bekannter Anfang 2011 mit einer Anfrage auf mich zu. Ich sollte ihm, einem Webdeveloper, ein Backend zur Darstellung und zum Export von Daten aus einer Datenbank erstellen. Das sehe ich als meinen ersten richtigen Auftrag an, denn hier konnte ich einen marktüblichen Preis verlangen und der Endkunde war jemand, den ich nicht persönlich kannte.

Magento und WordPress

Ich kann an dieser Stelle eigentlich nur meinem Bekannten danken, dass er mir nicht nur diesen ersten, sondern auch meine nächsten beiden Aufträge vermittelt hat. In allen drei Fällen zog sich die Beziehung zum Endkunden noch etwas weiter hin, so dass ich Ende 2011 nicht nur einen guten Nebenverdienst erwirtschaftet hatte, sondern auch überzeugt war, dass meine Fähigkeiten auf dem Markt gebraucht wurden. Diese hatten sich dank weiterer Aufträge auf das Shopsystem Magento und das CMS WordPress konzentriert, nachdem mir Aufträge mit Contao, typo3 und xt:commerce gezeigt haben, wo meine Präferenzen lagen. Dieses Austesten verschiedener Content-Management-Systeme war richtig und wichtig, aber auch die Entscheidung, mich schnell auf bestimmte CMS zu konzentrieren, eine der besten meiner Entwicklerlaufbahn. So konnte ich wirklich eine Kompetenz aufbauen und wenn auch nicht jeden Auftrag annehmen, so doch eine konstant gesteigerte Qualität abliefern.

Bevor ich 2012 in die Vollzeitselbstständigkeit gegangen bin, habe ich mir ein paar Wochen Zeit genommen, noch mehr über die Systeme, mit denen ich in der Vergangenheit gearbeitet hatte, zu lernen. So habe ich mir ein ausführliches Tutorial der Magento-Entwickler angesehen und das gelernte in eigenen Erweiterungen angewendet. Bei letzteren handelte es sich meist um die Überarbeitung von Lösungen, die ich bereits bei Kunden implementiert hatte. Dabei habe ich nicht nur mein Wissen erweitert, sondern die so entstandenen Erweiterungen dienten auch als Referenzen auf meiner Webseite.

Spielwiesen

Screenshot wort-suchen.de
Aus einer Spielwiese kann auch mehr werden.

Oben habe ich bereits erwähnt, dass ich bereits seit 2006 Projekte mit PHP umgesetzt habe. Letztendlich waren es diese Projekte, die mir mein Wissen gebracht haben und meine ersten Kunden davon überzeugten, dass ich programmieren kann. Noch heute sind meine „Spielwiesen“ ein wichtiger Bestandteil meiner Weiterbildung. Einige dieser Projekte waren oder sind Spielereien, andere haben sich aber auch zu selbstständigen Projekten entwickelt, die ein weiteres Standbein darstellen. Ohne den Ehrgeiz, eigene Probleme mit PHP zu lösen und die Möglichkeiten dazu, wäre ich nicht so lange dabei geblieben und würde meine Arbeit heute nicht lieben.

Kunden akquirieren

Meine ersten Kunden kamen aus meinem Netzwerk. Die zweite Runde kam von Kontakten aus meinem Netzwerk. Die dritte Runde habe ich mir auf Netzwerkveranstaltungen erarbeitet. Seit „Magento“ in meinem XING-Profil steht, kamen auch darüber die Anfragen. Mittlerweile kommen die meisten Kunden wieder. Damit will ich aber nur zeigen, dass ich nicht von Null auf Hundert in die Selbstständigkeit gesprungen, sondern langsam in diese übergegangen bin. Trotzdem habe ich den Unterschied gemerkt, als alle anderen (finanziellen) Standbeine wegbrachen und ich plötzlich 100% Einkommen kompensieren musste. Dazu brauchte ich ein paar Monate.

Ausblick – Die Entwicklung geht weiter

In Gesprächen mit Kollegen höre ich ähnliche Werdegänge heraus. Es lohnt sich also, mal danach zu fragen. In meinem Fall weiß ich, dass ich noch nicht am Ziel bin. So gerne ich aktuell Webseiten entwickle, so werde ich das nicht mein ganzes Leben lang tun. Daher auch eine Vielzahl eigener Projekte, die in Zukunft aus der Spielerei herauswachsen sollen. Wer wissen will wie es weitergeht, lese hier auf gruenderstory.de fleißig weiter.

An dieser Stelle freue ich mich über eure eigenen Storys. Wie seid ihr zu dem gekommen was ihr heute macht? Gibt es stringente Lebensläufe im Webbereich?

Bildquellen

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