Verein und Unternehmertum. Was ist „besser“?

In der vergangenen Woche ging es hier um die Ähnlichkeit zwischen der ehrenamtlichen Arbeit in Vereinen und Projekten und der eigenen unternehmerischen Tätigkeit. Dabei ist mir ein Thema aufgefallen, dass mich persönlich schon eine ganze Weile begleitet. Es handelt sich um die Entscheidung, seine Ziele entweder in einem Verein oder einer Organisation oder als Unternehmer zu erreichen. Ich stand einmal genau vor dieser Lebensentscheidung und vergleiche seither beide Möglichkeiten. Diese Überlegungen sind noch nicht fertig, sollen aber nicht zuletzt in meinem Umfeld zur Diskussion anregen.

Zufällig Unternehmer

Ich bin während meiner Schulzeit viel unterwegs gewesen und habe meine Wochenenden auf Seminaren, mit „Projekten“ oder politischen Tätigkeiten ausgefüllt. Zwischen Schule und Studium habe ich einen europäischen Freiwilligendienst gemacht und mich im Studium in diversen Vereinen und der studentischen Selbstverwaltung engagiert oder eigene Veranstaltungen und Projekte organisiert. Erst mit der Beantragung des EXIST-Gründerstipendiums gegen Ende meines geisteswissenschaftlichen Studiums begann ich mich für das Thema Entrepreneurship zu interessieren.

Ich bin sehr glücklich mit meinem verworrenen Gründerlebenslauf. Rückwirkend stelle ich aber fest, dass er sehr von zunächst unwesendlich wirkenden Treffen mit Personen, Nutzen von Chancen und persönlichen Enscheidungen geprägt ist und ich beruflich sehr gut auch ganz woanders stehen könnte.

In meinem Umfeld stelle ich immer wieder fest, dass besonders Leute, die Geisteswissenschaften studieren oder studiert haben, sich nicht mit den Gedanken des Unternehmerdaseins anfreunden können. Wer sich zudem noch ehrenamtlich in Vereinen im Bereich Umwelt oder Soziales engagiert, scheint geradezu eine Antipathie gegen das Thema zu haben. Wie ich im bereits oben verlinkten Artikel anmerke sind sich ehrenamtliches Engagement und Unternehmertum in den notwendigen Fähigkeiten jedoch sehr ähnlich.

Verkürzt gesagt halte ich den Unterschied zwischen ehrenamtlichem Engagement und Unternehmertum nur für einen juristischen und emotionalen, aber nur in sehr geringem Maße für einen praktischen.

Vom Altruismus und Egoismus

In der deutschen Gesellschaft scheint sich die unbewusste Haltung durchgesetzt zu haben, dass ehrenamtliches Engagement mit sehr vorbildlichen Zielen einher geht und Unternehmertum aus dem puren Egoismus und Streben nach materiellen Werten entsteht. Ich sehe das in der Tat mittlerweile als gesellschaftliche Erscheinung und entdecke dies zunehmend in meinem persönlichen Umfeld, in der Politik oder den Medien. In meinem Alltag sehe ich aber nicht nur die praktischen Gemeinsamkeiten zwischen dem „idealistischen und materiellen Weg“, sondern auch emotionale. Ich würde mir wünschen, dass wir offener darüber diskutieren.

Wie hohe Ideale in Projekten versinken

Mit meinen Vorerfahrungen und meinem Studium hatte ich mich eigentlich darauf vorbereitet, im Bereich der interkulturellen Zusammenarbeit zu arbeiten. Ich hatte mir eine Projektstelle in einer internationalen Organisation vorgestellt, bei der ich Menschen aus verschiedenen Ländern einander ein bisschen näher bringen konnte. Mittlerweile sehe ich Freunde und Studienkollegen in solchen oder ähnlichen Projekten arbeiten. In der Realität schleppen sie sich von Projekt zu Projekt, schreiben bereits Forderanträge, wenn aktuelle Projekte noch laufen und werten abgelaufene Projekte aus, wenn sie eigentlich an den neuen arbeiten sollten. Für nachhaltige Ziele ist da kaum noch Platz. Hinzu kommt, dass die Anzahl an eingereichten Anträgen gefühlt überall steigt, aber Fördertöpfe zunehmend schrumpfen.

Gerade erlebe ich das in einem Jugendmedienverein, in dem ich Mitglied bin. Die über lange Jahre bestehende hauptamtliche Stelle konnte wegen der kompletten Kürzung der Förderung nicht fortgeführt werden. Damit entfallen viele langjährige Angebote der Medienarbeit, darunter einige Schülerzeitungen oder die Betreuung einer Dunkelkammer, die sich privat sonst kein Schüler leisten kann. Auch zuvor gab es die Förderzusagen immer nur von Jahr zu Jahr.

Während ich als Selbstständiger die Ungewissheit immer mit dabei habe, aber langsam lerne, selbstbewusst mit ihr umzugehen, erscheint mir die Belastung meiner projektarbeitenden Bekannten psychisch viel höher zu sein. Dafür gibt es dann noch meist unterdurchschnittliche Gehälter, Zeitdruck mit folgenden Überstunden und die Gewissheit, dass die große Anstrengung nach Ablauf des Förderantrages keinen nachhaltigen Wert geschaffen hat. Mit der Zeit geht es hier also nicht mehr um die vielleicht einmal vorhandenen Ideale, sondern das schlichte Überleben.

Was ist die Gründung einer Organisation gegen die Gründung eines Unternehmens?

Was ich verstehen kann ist, dass man sich lieber für die Arbeit in einer gemeinnützigen Organisation entscheidet, als zu einer Unternehmensberatung oder einem großen Konzern zu gehen. Als geringer sehe ich den Unterschied an, sich zwischen der Gründung einer Organisation und der eines Unternehmens zu entscheiden.

Lassen wir uns von den schönen Berichten aus der Gründerszene nicht blenden – die meisten Selbstständigen leben von der Hand in den Mund und wenn Unternehmen pleite gehen, sehen die Einzelschicksale auch nicht besser aus als bei Organisationen, deren Projekte auslaufen. Wenn eine größere Organisation gegründet wird oder ein Verein einen Mitarbeiter einstellt ist Geld wichtig, genau so wie in einem Unternehmen. Bei Vereinen denken wir meist, dass das Geld dafür notwendig ist um die guten Ziele zu erreichen. Doch warum sollte nicht auch die Idee eines Unternehmens gesellschaftlich oder ökologisch sinnvoll sein?

Während meines Studiums habe ich die Alko Checker GbR gegründet. Das Projekt wurde mit einer Förderung ermöglicht und hatte mit der Aufklärung von Jugendlichen im Bereich Alkoholkonsum ein undiskutabel „gutes“ Ziel. Doch schon damals war uns klar, dass wir das nicht nachhaltig umsetzen können, wenn wir nur auf Fördermitteln vertrauen und daher haben wir das Projekt als sich selbst tragendes Unternehmen konzipiert. Dazu gehört, dass es im besten Falle auch noch für uns Geld abwerfen sollte. Damals kannte ich den Begriff noch nicht oder vielleicht gab es ihn sogar noch nicht, aber heute würde das Social Entrepreneurship genannt werden.

Ähnlich ist es beim Umsonstladen Greifswald e.V., in dessen Vorstand ich mitarbeite. Dieser ist zwar ein Verein, aufgrund der hohen Kosten für die Ladenmiete sind wir aber dazu gezwungen, sehr wirtschaftlich zu handeln und dabei auch an die „Umsätze“ zu denken. Nur weil wir sie „Spenden“ nennen und sie freiwillig sind bedeutet es keinen geringeren Druck, als das Erzielen von Umsätzen durch den Verkauf eines Produktes.

Mein oben beschriebenes Ideal, Menschen unterschiedlicher Länder einander näher zu bringen, habe ich mittlerweile in eine noch kaum umgesetzte Geschäftsidee gepackt. Mit dem aktuellen Konzept bin ich mir sicher, nicht weniger zu leisten, als ich es mit einem Verein tun könnte. Das Geld ist dabei einfach Mittel zum Zweck und ohne meine emotionale Verbundenheit zu dem Thema würde ich nicht auf kreative Ideen kommen.

Sollten Idealisten Unternehmen gründen?

Worin resultiert jetzt das Geschriebene? Sollten Idealisten jetzt Unternehmen gründen und Geld von Kunden nehmen, statt aus Fördertöpfen? Nicht unbedingt. Es gibt viele Bereiche, die lassen sich nicht monetarisieren und müssen über Förderungen und Zuschüsse finanziert werden. Auf der anderen Seite gibt es Vereine, die bereits unternehmerisch tätig sind, ohne es so zu nennen. Diese haben sicher mehr Chancen auf eine nachhaltige Entwicklung, weil sie von der unstetigen Förderpolitik unabhängig sind.Wir sollten einmal mehr auf die Gemeinsamkeiten, als auf die Unterschiede schauen.

Doch das ist meine ganz persönliche Meinung. Ich freue mich über eure Gedanken und Reaktionen in den Kommentaren.

2 Gedanken zu „Verein und Unternehmertum. Was ist „besser“?“

  1. Hallo Thomas

    zukünftig betrachtet wird sich die Frage wahrscheinlich stellen auf welchem Weg erreicht man am ehesten seine Ziele? Aber emotionale und soziale Denkansätze in Verbindung mit geschäftlichen Entscheidungen müssen am Ende auch zu Einnahmen (Geld) führen.

    Idealismus ist ein Treibstoff, der sicher Prozesse beschleunigt oder beim „durchhalten“ hilft. In Verbindung mit dem Geldverdienen sicher auch eine Hilfe. Jedoch auch eine Gefahr. Denn wenn man zu idealistisch handelt, verbaut man sich bestimmt Blickwinkel.

    Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass man bestimmte Prozesse einfach laufen lassen muss. Darum unterscheide ich in „momentan wichtige Arbeit“ und langfristige Projekt. Bei den langfristigen Projekten achte ich darauf ob ich noch zuarbeiten muss oder abwarten kann. Abwarten können heißt dann für mich in die wichtigen „Prio 1“ Projekte Zeit und Ressourcen stecken und dann als nächstes den „Prio 2“ Projekten zuzuarbeiten.

    Wenn ich eine bestimmte Zeit bei langfristigen Projekten gewartet habe und es auf externe Zuarbeit ankommt, diese aber ausbleibt, gehe ich davon aus, dass es nicht interessant genug ist für die Partner und lass es fallen. Wer wirklich etwas will arbeitet zu. Wer nicht zuarbeitet, hat wichtigere Dinge und wahrscheinlich keine Ressourcen frei. Also gilt für mich LOSLASSEN!

    Das tut oft weh, aber befreit. Loslassen ist schwer zu erlernen aber ungemein effektiv. Wenn man etwas nicht erreichen, schaffen oder verändern kann (egal ob im Job, privat oder im Verein) sollte man versuchen davon abzulassen. Man nimmt sich nicht nur den Druck dadurch, sondern auch den an den Prozessen beteiligten Menschen. Denn man lässt evtl. etwas ungewolltes ruhen und entspannt damit insgesamt auch das Umfeld.

    Sehr interessantes Thema übrigens für eine Diskussion! Würde mich freuen wenn viele Beiträge kommen.

    VG Volker

    • Hallo Volker,
      vielen Dank für deinen Kommentar. Ich hoffe in Zukunft Idealismus und Unternehmertum in einem neuen Projekt verbinden zu können. Aber auch das ist eher langfristig angedacht.
      Ich wünsche mir auch mehr Diskussion hier. Mal schauen.
      Viele Grüße
      Thomas

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