Ist mein Produkt, dein Produkt?

Der Gründerboom ist gerade im IT-Bereich gefühlt überwältigend. Wer die einschlägigen Medien verfolgt sieht immer wieder neue oder neu aufbereitete Produkte und Dienstleistungen aus dem Boden schießen. Wenn ich mir so manche Idee anschaue, dann frage ich mich, wie die Gründer wohl auf die Idee kamen. Ich habe bei mir festgestellt, dass ich einen Bezug zu meinen Angeboten haben muss, damit sie richtig gut werden. In diesem Artikel geht es um die Nähe zwischen Gründern und ihren Projekten.

Für sich oder für alle?

Wie schön liest sich eine Gründerstory, wenn der Gründer die Entwicklung seiner Idee am Küchentisch oder in einer kalten Garage begonnen hat, nicht zuletzt weil er zunächst sein eigenes Problem beheben wollte. Dazu fällt mir z.B. eBay ein. Ebenfalls toll ist es, wenn die Gründer das Produkt oder ihre Leistung zunächst als Hobby begonnen haben. In beiden Fällen erscheint die Befriedigung eigener Bedürfnisse zunächst höher als das kommerzielle Interesse.

Auf der anderen Seite steht der aktuelle Startup-Hype, bei dem Inkubatoren erst Ideen suchen, um die herum sie dann Gründer platzieren. Das können dann auch gerne Clone von bereits erprobten Ideen sein, wodurch sich die Gründerstory dann nicht mehr so romantisch liest.

Der Gründer und (s)ein Produkt

Aus meinen bisherigen Erfahrungen kann ich drei Beziehungsarten zwischen Gründer und seinem Produkt (bzw. seiner Dienstleistung) ausmachen.

  • der Gründer erstellt ein Produkt für andere
  • der Gründer erstellt sein Produkt aus Interesse an der Umsetzung
  • der Gründer erstellt das Produkt, weil es ihm selbst nutzt

Diese Kategorisierung funktioniert sicherlich für die Frühphase am besten. Vielleicht ist hier eine Gründung ja noch nicht einmal geplant. Gerade wenn das Unternehmen an Größe gewinnt, verschiebt sich natürlich der Fokus vom Produkt zum Geschäftsmodell.

Durch drei Projekte habe ich in der Vergangenheit gelernt, wie entscheidend der Bezug zwischen Gründer und dem eigenen Produkt ist. Je mehr mein Produkt oder meine Leistung mit meiner eigenen privaten oder beruflichen Geschichte verwoben ist, desto leichter lassen sich viele Faktoren des Gründerlebens bewältigen.

Das Produkt für andere

Ich bin während meines Studiums häufig im osteuropäischen Ausland unterwegs gewesen und habe mich immer wieder über schlecht übersetzte Speisekarten gewundert. Letztendlich sind doch die meisten Speisen in Restaurants gleich, oder?

Als es dann 2009 darum ging ein EXIST-Stipendium für eine Ausgründung aus der Universität zu beantragen, kam die Idee einer halbautomatischen Übersetzungslösung, die aufbauend auf einem Grundstock an Übersetzungen eines Fachbereiches neue Übersetzungen generiert.

Die Entwicklung unserer Anwendung und des Geschäftsmodells war die bisher abstrakteste Beziehung, die ich zu einem meiner Produkte hatte. Damals habe ich diesen Faktor deutlich unterschätzt. Die 12-monatige Förderphase ist fast komplett für das Erproben unterschiedlicher technischer und monetärer Ansätze draufgegangen. Wir hatten uns gerade bei der Bedarfsanalyse deutlich verschätzt und waren erst spät an einem Punkt, wo wir ein wirklich nachgefragtes Produkt hätten entwickeln können. Bis dahin war viel Kommunikation mit potentiellen Nutzern notwendig. Jemand aus dem Tourismusbereich oder der Gastronomie, ja selbst ein erfahrener Übersetzer hätte diese Phase sicher viel schneller beenden können.

Das Produkt als Herzensangelegenheit

Etwas näher am eigenen Produkt bin ich mit meiner Plattform www.wort-suchen.de. Angefangen hat es beim Scrabble-Spielen aus reiner Neugierde über die Möglichkeiten einer deutschsprachigen Scrabble-Hilfe. Die Seite ist also aus eigenem Bedarf, aber viel wichtiger, großer Begeisterung heraus entstanden. Dazu trug bei, dass es zu meinem damaligen Hobby, der Entwicklung von Wörterbüchern und zu meinem Sprachstudium passte.

Zwischenzeitlich habe ich wenig an wort-suchen.de gearbeitet, da ich mein Ziel (die Bereitstellung der Scrabble-Hilfe) erreicht hatte und auch nicht mehr Scrabble spielte. Als ich dann später aufgrund guter Besuchszahlen die Weiterentwicklung des Angebotes voranbringen wollte, war es erforderlich, wieder mit dem Scrabblespielen zu beginnen. Erst so konnte ich selbst die gröbsten Fehler der Tools ausfindig machen. Ergänzt wird das durch ein hohes Engagement der Nutzer, die mir regelmäßig Feedback bezüglich der Bedienbarkeit der Seite geben.

Mittlerweile spiele ich aktiv gegen Scrabble-Profis online und plane die Teilnahme an einem Scrabble-Turnier.

Das Produkt für mich

Während die erste Kategorie von vornherein nach einem Problem sucht, für dessen Lösung es eine zahlungswillige Masse gibt und die zweite Kategorie vielleicht zunächst gar kein neues Problem lösen möchte, gibt es die dritte Kategorie, bei der der Gründer zunächst ein eigenes Problem für sich lösen möchte und dann feststellt, dass es sich zur Monetarisierung eignet.

Durch wort-suchen.de habe ich einen Einblick in die Probleme größerer Plattformen erhalten. Da geht es plötzlich nicht mehr darum, dass keine Fehlermeldungen erscheinen, sondern um Themen wie Skalierbarkeit, Geschwindigkeit, Zugriffe von Mobilgeräten, Outsourcing oder Anzeigenvermarktung.

Diese Themen waren für mich neu. Gerade bei der Vermarktung habe ich viel Zeit in eigene technische Lösungen investiert, weil sie der Markt nicht hergab. Da ich hier mit WordPress arbeite, habe ich gleich Plugins entwickelt, die ich bei Bedarf auf anderen Seiten einsetzen kann. Plötzlich stellte ich fest, dass die Software, die ich entwickelte, auch Probleme von anderen lösen können. Aus diesem Gedanken heraus habe ich Anfang des Jahres die webgilde gegründet. Diese wird in Zukunft alle meine Projekte beinhalten, die ich neben meiner Selbstständigkeit als WordPress-Entwickler so durchführe. Das sind neben dem Betrieb von wort-suchen.de auch die Plugin-Entwicklung und Beratung bei Anzeigenvermarktung und -optimierung.

Da die webgilde Probleme löst, die ich zunächst selbst habe und quasi sowieso lösen würde, bin ich nicht gezwungen schnell ein Angebot auf den Markt zu werfen. Das lässt mir auf der anderen Seite den Freiraum für kreative Lösungen und deren intensive Erprobung, bevor sie an den Start gehen. Mein Hauptplugin wird es sicher nicht vor 2014 in die Öffentlichkeit schaffen, lohnt sich aber bereits für mich im eigenen Einsatz. Die bereits entstandenen kostenfreien Plugins findet ihr hier.

Nicht jedes Produkt ist ein Business

Ich habe an dieser Stelle tolle Beispiele dafür genannt, wie aus eigenen Ideen vermarktbare Produkte entstehen können. Zu den positiven Erfahrungen kommen noch viel, viel mehr Projekte, die nicht weit gekommen sind. Das liegt rückblickend auch daran, dass sie für mich selbst einen nur geringen Nutzen brachten und daher aus meinem Fokus und meiner engen todo-Liste verschwanden.

Ein anderer Grund ist, dass sich nicht jedes Hobby monetarisieren lässt. Bei wort-suchen.de ist das nur aufgrund der Größe möglich und die hat viele Jahre Aufbauarbeit gebraucht. Andere meiner Hobbys geben das nicht her. Siehe dazu auch meinen Beitrag zu Geld verdienen mit dem Hobby.

Es gibt Unternehmertypen, die bauen eine für sie fremde Idee erfolgreich auf. Ich gehöre nicht dazu. Ich habe aber so viele Interessen, dass ich da immer etwas spannendes für mich finde.

Welchen Bezug habt ihr zu eurem Produkt? Seid ihr begeisterte Macher, Nutznießer oder ist euch egal, was ihr umsetzt, wenn das Geschäftsmodell stimmt? Ich freue mich über eure Kommentare.