Der deutsche Ingenieur und der Entrepreneur

Die deutschen gelten weltweit als gute Ingenieure und detaillierte Planer. In einem Forum zur Frage, was den Deutschen auszeichnet, las ich neulich die Beschreibung eines Griechen: Während wir Griechen mehrere Nägel in die Wand schlagen, bis einer mal passt, verbringt der Deutsche viel Zeit damit die Wand abzuklopfen, den richtigen Nagel zu suchen und das Bild hin und her zu schieben, um den Nagel dann schließlich in die perfekte Stelle zu schlagen.

Ich glaube grundsätzlich an dieses Bild und habe es durch viele Auslandsaufenthalte auch bestätigt bekommen. Doch was bedeutet es für die Deutschen als Gründer? Lassen sich unser Perfektionismus mit der Geschwindigkeit und Flexibilität von Gründungen vereinen?

In einer Art Speeddating zwischen potentiellen Gründern und Mentoren habe ich mir in der letzten Woche 12 Ideen angehört. Während die Teams unterschiedlich weit in der Umsetzung und Konzeption waren, so habe ich fast bei allen das Mantra vom Lean Startup und dem möglichst frühen Start gepredigt, weil ich das Gefühl hatte, sie wollten alles zu viel vorbereiten oder ihre Geschäftsidee gleich zu Beginn zu komplex machen.

Mit einer Idee habe ich mich auch später noch intensiv befasst und begonnen, das Gründerteam zu coachen. Während ich der Meinung war, dass es bereits ein fertiges Produkt gab und dem Start auf dem Markt nichts entgegensteht, sah mein Mentee noch die vielen Baustellen die es vor dem Start abzuschließen galt.

Diese Erfahrung hat mich zurück in die Zeit versetzt, als ich selbst meine ersten Ideen umgesetzt habe, die es jedoch nie aus der Ideen- und Entwicklungsphase heraus geschafft haben, weil es immer noch eine offene Baustelle gab die ich vorher abschließen wollte. So sollte z.B. mein mehrsprachiges Online-Wörterbuch noch ein voll funktionsfähiges Forum haben – noch bevor der erste Besucher da war – und ist daran dann gescheitert.

Der deutsche Ingenieur strebt aber nicht nur nach dem perfekten Produkt. Er möchte auch Sicherheit haben. Das ist vielleicht der Grund, warum Deutschland nicht zwingend als Gründerland bezeichnet werden kann. Wir haben einfach sichere Jobs und warum sollten wir dann die Unsicherheit wagen?

Für die, die es dennoch wagen, könnte das Streben nach Sicherheit und Perfektionismus dennoch hilfreich sein. Wer zu lange mit dem Start wartet, wird vielleicht erst zu spät wissen, ob sein Produkt wirklich einen Markt hat. Wer sicher gehen will, dass es klappt sollte schnell mit dem kleinsten möglichen Produkt (minimal viable product) an den Markt und erstes Kundenfeedback einsammeln. Passiert das zu spät, dann sind oft zu viel Zeit und Resourcen investiert worden um sich ohne nachhaltige Schäden herauszuwinden.

Wer Sicherheit bei der Gründung möchte, der sollte wie ein guter Entrepreneur früh an den Markt gehen. Was das bedeutet habe ich auf besagter Veranstaltung einigen Gründern gezeigt, indem ich die vielen Baustellen als unerheblich entfernt und das Kernprodukt herausgearbeitet habe. Ich weiß, dass nicht alle das verstanden haben, aber meistens zeigt sich nach ein paar Monaten, dass dieser Ansatz für die meisten Ideen der richtige ist.

Ein Businessplan kann übrigens auch nicht viel mehr absichern. Die Grundfragen sollten eher in einem kurzen Überblick wie dem Business Canvas festgehalten werden, aber niemand will wirklich 20 Seiten oder mehr lesen, geschweige denn dass das einem Scheitern entgegenwirkt. Im Gegenteil, wer sich zu lange in die Theorie des Marktes eingräbt verpasst das reale Feedback.

Wer mich mal auf einer Business-Veranstaltung sieht und seine Idee zum minimal viable product gekürzt haben möchte, der spreche mich einfach an.